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  • Autorenbildcarolin rebmann

Abgefahren – wenn Mama eine Auszeit nimmt

Zeitpunkt festlegen, Absprachen treffen, Kinder einweihen – es ist eigentlich ganz einfach. Es sind ein paar wenige Fakten, die man schaffen muss und schon kann es losgehen in die eigene Auszeit. Eine Auszeit ohne Job, ohne Kinder, ohne Alltag. Aber die Stolpersteine existieren und sie pflastern, wie so oft, nicht nur äußerlich gut sichtbar den Weg, sondern blockieren innerlich das eigene Vorankommen. Aber gerade deshalb lohnt es sich umso mehr, am Plan der Auszeit dranzubleiben!




In den letzten Jahren habe ich mir unzählige Male überlegt, für eine gewisse Zeit auszusteigen. Ein Kurzurlaub, ein Wochenende, mehrere Wochen einfach mal raus und den Kopf frei kriegen, wie man so schön sagt. Und dann kam immer wieder etwas dazwischen. Genauer gesagt habe ich immer wieder etwas dazwischenkommen lassen, vermeintliche Gründe geschaffen, warum das jetzt gerade nicht geht mit der Auszeit. Weil der Job, die wichtigen Termine…Weil die Kinder, die mich doch jetzt unbedingt brauchen, weil die Beziehung, die doch nun im Vordergrund steht…



Ist der Leidens- und Handlungsdruck dann groß genug, ist plötzlich ein Zeitpunkt gefunden und Möglichkeiten der Alltagsgestaltung ohne Mama tun sich auf. Mit der Überzeugung, dass es sowieso nie den perfekten Zeitpunkt gibt (egal, für was), reicht also ein „das passt schon irgendwie“ bzw. „es muss passend gemacht werden“. Im Sommerurlaub habe ich die Auszeit für mich beschlossen und die notwendigen Schritte eingeleitet. Die verschiedenen Stolpersteine habe ich aus dem Weg geräumt:


Verantwortung abgeben, das heißt in meinem Fall, vor allem zulassen, dass der Vater der Kinder die Betreuung hauptsächlich auf sich nimmt. Warum auch nicht, im Alltag tut er das auch schon und warum also nicht über eine Zeit von drei Wochen? Erreichbar bin ich rund um die Uhr und alt genug sind die beiden Kinder, um zu verstehen, warum ich verreise und wo ich bin. Nicht aus der Welt. Zweiter Stolperstein: Den Arbeitgeber und Freunde informieren. Zu verkünden, drei Wochen im Herbst komplett weg zu sein, schlägt Wellen. Aber es sind positive. Es hat mich Überwindung gekostet, mich zu öffnen und für mich einzustehen. Ja, ich brauche diese Auszeit, denn es geht mir nicht gut genug, den Alltag auf diese Art weiterzuführen. Es fühlt sich leicht wie ein Versagen, ein Einräumen von Schwäche an. Ehrlich gesagt, fühlt es sich stark danach nach. Zu meinem Selbstbild hat lange Zeit, etwas nicht zu schaffen oder schwach zu sein, nicht dazugehört. Die Resonanz der Kollegen, Freunde, Bekannte war jedoch derart wohlwollend und liebevoll, dass ich mich gerne so zeige. Stark und schwach. Und fängt man erst einmal an, diese Zeit zu verteidigen und neue Termine abzuschmettern, dann läuft es total geschmeidig. Das Umfeld akzeptiert die Entscheidung. Die meisten haben eher großen Respekt davor und …höre ich da sogar ein bisschen Neid heraus? Auf jeden Fall. So viele Menschen geben mir die Rückmeldung, sie wünschten sich so eine Auszeit auch einmal für sich.


Der Abschiedsschmerz war groß. Tage vor meiner Abreise war ich sehr aufgeregt und hatte schon immer wieder Tränen in den Augen, wenn ich meine Kinder angeschaut habe. Drei Wochen ohne sie. Wie soll das gehen? Das wird gehen, sagte ich mir. Und es geht. Auch wenn es bestimmt Tiefs und Sehnsüchte geben wird. Sie dürfen sein. Seit Sonntag bin ich an der Ostsee, in Ahrenshoop, und vermisse meine Kinder, aber ich weiß, sie sind gut aufgehoben. Dass es das Richtige für mich ist, lässt es auch das Richtige für sie sein. Das, was der Mutter guttut und sie gesund macht und hält, kommt auch den Kindern zugute. Eine Überzeugung, die ich schon lange in mir trage und die sich bisher bewährt hat.


Der größte Stolperstein, so habe ich festgestellt, bildete der fehlende Mut zur eigenen Courage. Den Entschluss zu fassen, sich eine Auszeit zu nehmen, erfordert Mut. Ihn umzusetzen erst recht. Insgeheim war ich ziemlich verunsichert, was mit mir in dieser Zeit passieren würde und könnte. Wenn all die Termine weg sind, auch die Kinder nicht den Takt vorgeben, wenn ich aus der Alltagsstruktur herausfalle, wo lande ich dann? In den letzten zwei Jahren ist so viel passiert - beruflich, privat und gesundheitlich gab es tolle und herausfordernde Momente. Kräftezehrend war es allemal. Wenn ich auch schon, verglichen mit meinen früheren Ansprüchen und Verhältnissen, so viel runtergefahren und angepasst habe, kostet der Alltag dann doch wieder Energie. Energie, die gerade kaum da ist. Eine Auszeit ist eine Reise ins Ungewisse. Drei Wochen, die ins Land ziehen und ich darf dabei beobachten, was diese Zeit mit mir macht. Etwas vornehmen wollte ich mir nicht. Das wäre kontraproduktiv. Selbst wenn es der Plan wäre, sich zu erholen. Denn auch das wäre bereits wieder ein Auftrag. So frei wie möglich habe ich mich auf den Weg gemacht.


Ein Aha-Erlebnis gab es trotzdem schon. Aber ganz anders als erwartet. Ich mache mir hier wenig Gedanken um den Alltag, um die Krankheit, um meine Entscheidungen. Auf der Hinfahrt an die Ostsee habe ich vom Tod Mathew Perrys gehört. Chandler, mein Chandler. Der „Friends“- Schauspieler, der mich nun schon so lange begleitet in meinem Leben und der immer wieder mein Lieblingsgast in meinem Wohnzimmer war, ist tot. In vielen verschiedenen Wohnzimmern hat er mich besucht und zum Lachen gebracht. Zuletzt hat er mich durch schlaflose Nächte und verzweifelte Stunden begleitet und mich von diesem Neurodermitis-Wahnsinn wenigstens kurzzeitig abgelenkt. Todesursache ungeklärt. Ein Blick auf sein Leben verrät, dass der Mensch Mathew Perry aus Humor und Witz auf der einen Seite und Krankheit und Leid auf der anderen Seite bestand. Eine frühe Alkohol-, später gepaart mit Schmerzmittelsucht, ließ ihn die meiste Zeit in seinem Leben einen harten Kampf führen. Ich wusste nicht viel über das Privatleben der „Friends“. Ich spüre, wie mich sein Tod bewegt.


Dieser Text soll eine Lanze brechen für die Selbstfürsorge, ich möchte als gutes Beispiel vorangehen und andere Menschen damit ermutigen, sich Auszeiten zu nehmen, nicht erst, wenn sie krank sind, sondern wenn sie das Bedürfnis danach haben, je früher, desto besser. Doch die Nachricht von Mathew Perrys Tod zeigt eine weitere Qualität der Auszeit. Wir machen uns plötzlich Gedanken über Dinge, die sonst im Alltag untergehen. Wir merken, was uns bewegt, was aber durch die Schnelllebigkeit unseres gewohnten Rhythmus nicht rechtzeitig auf sich aufmerksam machen kann. Wir kommen mit den kleinen und großen Themen in Berührung und damit in Kontakt mit uns. So hat Selbstfürsorge eine echte Chance auf Nachhaltigkeit. Und so ist es am Ende keine Überraschung, dass ich gleich zu Beginn meiner Auszeit auf die Themen Veränderung, Abschied und Loslassen stoße.











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